Atelier XIII :
Discours et pouvoir :
représentation, témoignage et effacement
(salle 524 au 54, bd Raspail)
Présidente : Natalia Muchnik (EHESS)
Making sense of Ambiguous Speech: the 1990’s Famine in North Korea. Sandra Fahy (France. EHESS)
Das "Fortleben" des "bloßen Lebens": Zur Leiblichkeit und Übersetzbarkeit der Wahlverwandtschaften. Takaoki Matsui (Tokyo, Japon.)
How to translate a language that ghosts another: French behind Celan and Kerouac, Arabic below Tengour and Meddeb. Pierre Joris (USA/Luxembourg. University of Albany—SUNY)
Abstracts /Résumés/ Zusammenfassungen
Making sense of Ambiguous Speech: Oral History of the 1990s Famine in North Korea by Sandra Fahy
This paper takes as its main focus the linguistic analysis of ambiguous speech patterns in the oral testimonies of survivors of the North Korean famine. The government placed severe restrictions on discussions, illusions and references to the famine and its consequences. In spite of the limitations placed on free expression in situ many informants communicated their experiences to each other through indirect speech patterns, and years after surviving the famine these emerged in oral testimonies. Clandestine and careful modes of communication used and yet subverted the government’s sanctioned discourse. Taken as a collective, the testimonies reveal a range of consistent patterns in indirect speech: word choice, lengthy metaphors, dry humour, appropriated government terms, euphemisms and so on.This paper will consider these aspects of the oral testimonies highlighted through the lens of translation – translation of language as well as the transmission of cultural trauma. During the famine, North Koreans had to speak in highly coded and ambiguous terms, later when meeting the researcher many articulated the famine within the linguistic frameworks supplied to them by the government. These habituated expressions evolved during the famine period to be highly ambiguous, evocative or hidden. What difficulties does the researcher encounter when oral accounts bear these same ambiguous, evocative and hidden articulations? There are difficulties of translation (from Korean into English) but there are the added difficulties of translating culturally informed expressions of trauma into non-traumatic culturally distinct settings such as South Korea and the international community.
Das „Fortleben“ des „bloßen Lebens“: zur Leiblichkeit und Übersetzbarkeit der Wahlverwandtschaften. Takaoki Matsui
Im Übersetzer-Aufsatz spricht Benjamin vom „Leben und Fortleben der Kunstwerke“. Ihm zufolge ist das „Leben“ weder aus organischer Leiblichkeit allein noch „aus Empfindung, die es nur gelegentlich kennzeichnen kann“, zu definieren, sondern aus der Geschichte, die es umfasst. Wie würde sich diese ›Lebensmetaphysik‹ auf den von ihm kritisch ausgelegten naturwissenschaftlichen Roman beziehen, dessen Übersetzbarkeit er allerdings nicht in Frage stellte? Goethes Wahlverwandtschaften ist eigentlich eine Komödie der vier personifizierten Elemente; gemäß einer umstrittenen Affinitätslehre werden sie zum ›Ehebruch‹ motiviert und schließlich von den als Nebenfiguren getarnten Wissenschaftlern zur Zersetzung gebracht. Die Handlung spielt auf technikhistorische Begebenheiten und naturwissenschaftliche Befunde an; Goethe übertrug sie in karnevaleske Spiele der Materie, um die aufkommende Industrialisierung und die Disziplinierung des Menschen zu karikieren*. Er machte jedoch den Übertragungsprozess nur in der chemischen Gleichnisrede sichtbar; dort erfahren die Figuren (Elemente) einiges von ihrer mutmaßlichen Bestimmung. Verschlüsselt blieben die sprachlich unübersetzbaren Vexierbilder: diejenigen der technischen Apparatur, der Eigennamen, der Körperteile usw. Sie waren bisher unbeachtet oder ›sinngemäß‹ als Teile einer ›tragischen‹ bzw. ›trüben‹ Liebesgeschichte angesehen. Auch Benjamin wollte ihren ›trüben‹ Schein nicht zerstören. Nur fielen ihm zur Unterscheidung der eingeschobenen Novelle von der Romanhandlung folgende Analogien ein: Im Roman herrscht die „Schwüle“ vor dem „Sturm“, in der Novelle aber „das Gewitter und der Friede“; im ersteren erscheint nur mattes Licht der „Sonnenfinsternis“, in der letzteren wird alles vom „helle[n] Licht“ scharf umrissen. Diese Bilder entsprechen genau den dort verschlüsselt dargestellten Erfindungen und Versuchen. Trotz dieser ›Erleuchtungen‹ nahm er jedoch nur eine sublimierte ›Entblößung‹ der Novellenfigur wahr und bemängelte die Verhaftetheit der Romanfiguren in dem „Verband des bloßen Lebens“. Zu fragen ist, ob nicht seine Lebensmetaphysik die genaue wetterfühlige ›Empfindung‹ gestört hat.
* Meine detaillierte Werkanalyse erscheint zuerst in Japanisch: ›Shinwaryoku‹ no koubou (Illuminations of ›Elective Affinities‹), in: 19 Seikigaku Kenkyu (Study of the 19th Century Scholarship), Vol. 4, 2010.
Im Übersetzer-Aufsatz spricht Benjamin vom „Leben und Fortleben der Kunstwerke“. Ihm zufolge ist das „Leben“ weder aus organischer Leiblichkeit allein noch „aus Empfindung, die es nur gelegentlich kennzeichnen kann“, zu definieren, sondern aus der Geschichte, die es umfasst. Wie würde sich diese ›Lebensmetaphysik‹ auf den von ihm kritisch ausgelegten naturwissenschaftlichen Roman beziehen, dessen Übersetzbarkeit er allerdings nicht in Frage stellte? Goethes Wahlverwandtschaften ist eigentlich eine Komödie der vier personifizierten Elemente; gemäß einer umstrittenen Affinitätslehre werden sie zum ›Ehebruch‹ motiviert und schließlich von den als Nebenfiguren getarnten Wissenschaftlern zur Zersetzung gebracht. Die Handlung spielt auf technikhistorische Begebenheiten und naturwissenschaftliche Befunde an; Goethe übertrug sie in karnevaleske Spiele der Materie, um die aufkommende Industrialisierung und die Disziplinierung des Menschen zu karikieren*. Er machte jedoch den Übertragungsprozess nur in der chemischen Gleichnisrede sichtbar; dort erfahren die Figuren (Elemente) einiges von ihrer mutmaßlichen Bestimmung. Verschlüsselt blieben die sprachlich unübersetzbaren Vexierbilder: diejenigen der technischen Apparatur, der Eigennamen, der Körperteile usw. Sie waren bisher unbeachtet oder ›sinngemäß‹ als Teile einer ›tragischen‹ bzw. ›trüben‹ Liebesgeschichte angesehen. Auch Benjamin wollte ihren ›trüben‹ Schein nicht zerstören. Nur fielen ihm zur Unterscheidung der eingeschobenen Novelle von der Romanhandlung folgende Analogien ein: Im Roman herrscht die „Schwüle“ vor dem „Sturm“, in der Novelle aber „das Gewitter und der Friede“; im ersteren erscheint nur mattes Licht der „Sonnenfinsternis“, in der letzteren wird alles vom „helle[n] Licht“ scharf umrissen. Diese Bilder entsprechen genau den dort verschlüsselt dargestellten Erfindungen und Versuchen. Trotz dieser ›Erleuchtungen‹ nahm er jedoch nur eine sublimierte ›Entblößung‹ der Novellenfigur wahr und bemängelte die Verhaftetheit der Romanfiguren in dem „Verband des bloßen Lebens“. Zu fragen ist, ob nicht seine Lebensmetaphysik die genaue wetterfühlige ›Empfindung‹ gestört hat.
* Meine detaillierte Werkanalyse erscheint zuerst in Japanisch: ›Shinwaryoku‹ no koubou (Illuminations of ›Elective Affinities‹), in: 19 Seikigaku Kenkyu (Study of the 19th Century Scholarship), Vol. 4, 2010.
How to translate a language that ghosts another: French behind Celan and Kerouac, Arabic below Tengour and Meddeb. Pierre Joris
Drawing more on practice than on theory, “How to translate a language that ghosts another: French behind Celan and Kerouac, Arabic below Tengour and Meddeb” will speak to specific occasions in the work of these authors, from single words (in a Celan poem, the German word “Neige” feels suspiciously like the French word “neige”) to broader claims of “ghosting” (Kerouac wants to believe or believes he wants to write French Canadian in English, et vice-versa) as when certain formal strictures ghost the francophone texts of the Algerian Habib Tengour (is that a Mallarmean move or something from a Mu’allaqat, a pre-islamic ode?) or the Tunisian Abdelwahab Meddeb ( “allographies” that want to retool a traditionally recalcitrant French via calligraphic density and play). A pleasure to theorize into post-colonial constats — but problematic when we sir down to translate these texts.
Bios:
Sandra Fahy completed her PhD in Social Anthropology at the School of Oriental and African Studies in London in 2009. She currently holds the Korea Foundation Post Doctoral Fellowship at L'École des hautes études en sciences sociales, le Centre de Recherches sur la Corée. She can be contacted at smfahy@gmail.com
Takaoki Matsui (b. 1968) studied social sciences at the Univ. of Tokyo and Kulturwissenschaft at Humboldt University Berlin. He lives in Tokyo as an independent scholar. His PhD thesis is available online (Walter Benjamin und die Kunst des Graphischen: Photo-Graphie, Malerei, Graphik, 2008. http://edoc.hu-berlin.de/docviews/abstract.php?lang=ger&id=29120). For a detailed reading of Die Wahlverwandtschaften, see my forthcoming article: Shinwaryoku no koubou (Illuminations of Elective Affinities: Goethe’s Criticism of Technology and Its Materialistic Transformation by Walter Benjamin), in: 19 Seikigaku Kenkyu (Study of the 19th Century Scholarship), Vol. 4, 2010. Its full version will also soon appear in German.
Pierre Joris is a poet, translator, essayist & anthologist who left Luxembourg at 19 and has since lived in France, England, Algeria & the United States. He has published over forty books, most recently Canto Diurno #4: The Tang Extending from the Blade, an 2010 Ahadada Books (ebook), Justifying the Margins: Essays 1990-2006 and Aljibar I & II (poems). Other recent publications include the CD Routes, not Roots and Meditations on the Stations of Mansour Al-Hallaj 1-21. Recent translations include Paul Celan: Selections, and Lightduress by Paul Celan, which received the 2005 PEN Poetry Translation Award. With Jerome Rothenberg he edited the award-winning anthologies Poems for the Millennium (volumes I & II). He teaches at the University of Albany, SUNY. Check out his website (http://pierrejoris.com/home.html) & his Nomadics blog (http://pierrejoris.com/blog/).
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